Ich stehe für Transparenz – auch mir selbst gegenüber. Und deshalb will ich offen eine eigene Fehleinschätzung einräumen: Noch vor ein paar Jahren hielt ich offene Immobilienfonds für eine durchaus legitime Beimischung im Portfolio. Immerhin handelt es sich um eine eigene Anlageklasse, in die man gestreut investieren kann. Ich investiere also nicht in eine einzelne Immobilien, sondern in eine Vielzahl.
Die zahlreichen Objekte in den Fonds sind langfristig vermietet und werfen einen planbaren Ertrag ab. Gerade in Zeiten niedriger Zinsen war dieser Cash Flow scheinbar attraktiv. Zusätzlich wird der Bestand regelmäßig von externen Gutachtern bewertet. Was sollte da schon passieren? Auch die offizielle Einstufung als „risikoscheu“ schien dadurch gerechtfertigt.
Diese positiven Einschätzung wurden zudem von einigen objektiven Seiten gestützt. Auch auf den Seiten der Verbraucherzentrale liest man folgende Vorteile, die für eine Anlage in offene Immobilenfonds sprechen:
Selbstverändlich hat die Verbraucherzentale auch die Nachteile und Risiken genannt:
Diese Nachteile waren mir durchaus bewusst, doch glaubte ich, dass diese Nachteile durch eine bewusste Auswahl von offenen Immobilienfonds zu minimieren seien.
Auch auf der Seite der Tagesschau liest man im Juni 2021 noch durchaus positive Aspekte, die zunächst einleuchten:
Doch diese genannten Vorteile täuschen über ein entscheidendes Risiko hinweg: Das Konstruktionsproblem. Ich habe dieses grundlegendes Konstruktionsproblem der offenen Immobilienfonds unterschätzt. Dafür mache ich mir bis heute Vorwürfe. Kritische Stimmen wie Professor Dr. Hartmut Walz oder Dr. Gerd Kommer hatten die Schwächen längst erkannt – ich habe sie nicht ernst genug genommen. Die zuletzt eingeführte Haltedauder und Kündigungsfrist sollten doch genau dieses Problem beheben, oder? Weit gefehlt.
Warum ich mich geirrt habe: Die Entwicklung
Die entscheidenden Nachteile, die heute klar zutage treten, waren lange nicht sichtbar. Sonst wären nicht so viele Milliarden in diese Anlageform geflossen. Viele – auch ich – ließen sich von den vermeintlichen Vorteilen blenden: breite Streuung, niedrige Fremdkapitalquote, hohe Vermietungsraten, ein stabil wirkender Kursverlauf. Und durch meine Honorarberatung konnten Fondsanteile ohne Ausgabeaufschlag erworben werden. Dadurch war sogar eine recht kurze Anlagedauer von 24 Monaten rechnerisch sinnvoll (12 Monate Mindesthaltefrist + 12 Monate Kündigungsfrist).
Wo entstehen jetzt die Probleme?
Die Bewertungen durch die vom Immobilienfonds beauftragten Gutachter beruhen auf dem Ertragswert – dieser hat aber nichts mit dem tatsächlichen Marktwert (Verkehrswert) zu tun. Und wenn viele Anleger gleichzeitig kündigen, reicht die Liquidität im Fonds nicht aus. Es müssen dann Immobilien verkauft werden – die Stunde der Wahrheit, denn der Verkaufserlös liegt zuletzt leider zu oft unter dem geschätzten Wert in den Büchern. Dieser gebündelte Verkaufsdruck in einem schwierigen Umfeld führt zu einem systemischen Konstruktionsfehler, den ich damals unterschätzt habe. Heute nicht mehr.
Der durchaus heftige Zinsanstieg der jüngeren Vergangenheit hat diese Schwäche schonungslos offengelegt. Die Fonds verloren an Attraktivität, viele Anleger kündigten. Die Folge: Verkäufe unter Zeitdruck. Wie stark die ursprünglichen Bewertungen danebenlagen, zeigten besonders die Fälle von UniImmo: Wohnen und Leading Cities Invest. Mein Vertrauen in die Gutachter ist nachhaltig beschädigt.
Ein Teufelskreis entsteht: Wer kündigt, verstärkt den Verkaufsdruck – wer bleibt, trägt das Risiko. Ein klassisches Gefangenendilemma.
Hat dieses Konstrukt noch eine Zukunft?
Die Zeiten stabiler Renditen sind vorbei. Die Schwächen des Modells sind nun offensichtlich – und sie werden nicht einfach wieder verschwinden. Die Entwicklungen der letzten Monate haben mir eindrücklich vor Augen geführt, wie wichtig es ist, selbst vermeintlich sichere Anlageformen regelmäßig zu hinterfragen. Dabei immer die wesentlichen Punkte in den Fokus nehmen. Alles andere ist nebensächliches Beiwerk. Was bringt ein wunderschön verziertes Haus, welches auf Sand gebaut ist?
Ich habe aus diesem Fehler gelernt – und will offen darüber sprechen. Nicht nur aus persönlicher Aufarbeitung, sondern auch, um andere Anleger zu sensibilisieren. Mein Ziel ist es, stets auf Basis fundierter Analysen die bestmöglichen Entscheidungen zu treffen. Fehler gehören dazu. Entscheidend ist, was wir daraus machen.
Was jetzt? Klare Empfehlungen von Experten
In einem Gespräch mit Prof. Dr. Hartmut Walz – einem der wenigen, die frühzeitig vor den Risiken gewarnt haben – wurde deutlich, wie betroffene Anleger jetzt handeln sollten. Seine Empfehlungen sind klar – und ich schließe mich ihnen uneingeschränkt an.
Hier klicken für das YouTube-Video
Empfehlungen für Anleger (aus dem YouTube Video):
Wer noch keine Anteile hat:
Finger weg!
Es gibt transparentere, kostengünstigere und flexiblere Alternativen wie z. B. Immobilien-Aktien oder breit gestreute ETFs. Offene Immobilienfonds bergen systemische Risiken durch ihre Konstruktion (siehe oben).
Wer bereits investiert ist:
Nicht panisch verkaufen.
Wer bereits Anteile besitzt, sollte die Situation ruhig beobachten. Ein vorschneller Ausstieg kann zu Verlusten führen – auch, weil der Fonds dadurch gezwungen werden könnte, Immobilien unter Wert zu verkaufen.
Kündigung gut überlegen.
Da Kündigungen 12 Monate im Voraus ausgesprochen werden müssen und nicht rückgängig zu machen sind, ist das eine risikobehaftete Entscheidung – der Verkaufspreis nach Ablauf der Frist ist ungewiss.
Verkauf an der Börse?
Möglich, aber oft mit deutlichem Abschlag. Börsenpreise liegen teils 10–20 % unter dem offiziellen Fondspreis – dafür aber sofort verfügbar.
Ruhig bleiben – sofern man nicht von stark steigenden Zinsen ausgeht.
Sollte das Zinsniveau auf dem aktuellen Level bleiben oder sogar wieder sinken, könnte sich die Situation wieder entspannen und der Fonds erholen.
So hart es klingt: Ich rate klar davon ab, neues Geld in offene Immobilienfonds zu stecken.
Das strukturelle Risiko ist zu groß – und es frisst jedes postive Argument für diese Anlageform auf.
Wer nicht über ein Millionenvermögen verfügt, hat schlicht keine realistische Chance, die Anlageklasse „Immobilien“ sinnvoll, kosteneffizient und breit genug gestreut abzubilden.
Diesen Fakt muss man akzeptieren.